Ein männlicher Pfleger sitzt auf einer Treppe, im Hintergrund sieht man einen Arzt und weitere Pflegekräfte.

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 11.11.2021

Die PpUGV: Personaluntergrenzen in der Pflege

Kann die Verordnung die Pflegequalität verbessern?

Die Überbelastung von Pflegekräften ist auch in der Politik ein großes Thema. Nicht erst seit der Corona-Pandemie kommen Pflegerinnen und Pfleger regelmäßig an ihre Grenzen. Aufgrund dieser schlechten Arbeitsbedingungen scheuen sich junge Menschen, den Beruf zu ergreifen – ein Teufelskreis, welcher nur schwer zu durchbrechen ist. Die Politik versucht es dennoch und hat einen Personalschlüssel für die Pflege eingesetzt: die sogenannte Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung. An sich ist das keine schlechte Idee. Doch ist diese Maßnahme in der Praxis wirklich geeignet, um dem Fachkräftemangel zu begegnen? Oder handelt es sich bei dieser Fachkraftquote um ein nur oberflächlich sinnvolles Gesetz, das in der Praxis nichts verändert?

Was ist die PpUGV? Untergrenzen sollen die Pflege verbessern

Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV): Hinter diesem zugegebenermaßen etwas umständlichen Begriff steckt ein recht einfaches Prinzip. Denn mit der Verordnung wird, wie der Name schon sagt, eine Untergrenze festgelegt: Und zwar, wie viele Patientinnen und Patienten eine Pflegekraft maximal gleichzeitig betreuen soll. Damit sollen die Pflegekräfte entlastet und eine nachhaltige Pflege geschaffen werden. Die Personalbemessung gilt jedoch nicht in allen Bereichen der Pflege, sondern nur in sogenannten pflegesensitiven Fachbereichen. So umfasst die PpUGV 2021 folgende Bereiche: 

  • Intensivmedizin und pädiatrische Intensivmedizin

  • Geriatrie

  • Allgemeine Chirurgie und Unfallchirurgie

  • Innere Medizin und Kardiologie

  • Neurologie

  • Neurologische Schlaganfalleinheit

  • Neurologische Frührehabilitation

  • Pädiatrie


Die PpUGV berücksichtigt auch den Schichtdienst, welcher in der Pflegebranche allgegenwärtig ist. So werden für die Nachtschicht mehr Patientinnen und Patienten pro Pflegekraft eingerechnet als tagsüber, wo meist mehr pflegerische Tätigkeiten anfallen. 

Wie ist die PpUGV entstanden?

Die Personalbemessung in der Pflege sollte eigentlich von den Selbstverwaltungspartnern Deutsche Krankenhausgesellschaft, dem Verband der Privaten Krankenversicherung und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen festgelegt werden. Da dies jedoch scheiterte, schritt das Bundesgesundheitsministerium ein und erließ ein entsprechendes Gesetz. In Zukunft soll die Verantwortung jedoch wieder bei den Selbstverwaltungspartnern liegen. 

Die PpUGV-Berechnung basiert auf einer Stichprobenziehung in unterschiedlichen Krankenhäusern und soll so die Pflegerealität widerspiegeln. Grundlage für die Untergrenzen war das Ziel, die Personalbelastung in den 25 Prozent der am höchsten belasteten Einrichtungen zu senken (sprich: diese sollten mit dem Gesetz dazu gebracht werden, mehr Pflegepersonal einstellen), sodass diese das Niveau der restlichen 75 Prozent erreichen.

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PpUGV 2021: Wie viele Patient:innen muss eine Pflegekraft betreuen?

Die PpUGV legt die Personalbemessung in der Pflege fest und zeigt die Untergrenzen für die jeweiligen Bereiche auf, welche nötig sind, um Patientinnen und Patienten sicher zu versorgen. Diese Untergrenzen sollen durch Buch- und Wirtschaftsprüfer überprüft werden – werden sie nicht eingehalten, müssen die Einrichtungen Vergütungsabschläge zahlen. Diese Grenzen sieht die PpUGV 2021 vor:

 

Fachbereich Patient:innen pro Pflegekraft (Tagschicht) Patient:innen pro Pflegekraft (Nachtschicht)
Intensivmedizin 2 3
Pädiatrische Intensivmedizin 2 3
Allgemeine Chirurgie 10 20
Unfallchirurgie 10 20
Herzchirurgie 7 15
Geriatrie 10 20
Kardiologie 10 22
Neurologie 10 20
Neurologische Schlaganfalleinheit 3 5
Neurologische Frührehabilitation 5 12
Innere Medizin 10 22
Pädiatrie 6 10

Personalschlüssel im Pflegeheim: Hier entscheidet der Pflegegrad

Nicht nur für pflegesensitive Bereiche in Kliniken gibt es Untergrenzen für die Personalbemessung. Auch in der Altenpflege existieren Gesetze, wie viele Pflegekräfte mindestens in einer Schicht anwesend sein müssen. Diese richten sich nach dem Pflegegrad der zu pflegenden Personen. Umso höher dieser ist, umso intensiver gestaltet sich auch die Pflege. Das Verhältnis zwischen Pflegekraft und Patientinnen und Patienten verringert sich also mit steigendem Pflegegrad. 

Die Bundesländer haben eigene Personalrichtwerte, wobei es in Zukunft einen bundesweiten Personalschlüssel geben soll, wie in der Pflegereform im Juni 2021 beschlossen wurde. Der Personalschlüssel Pflegeheim in Berlin sieht momentan zum Beispiel noch folgendermaßen aus:

Pflegegrad 1 2 3 4 5
Pflegekräfte pro Patient:in (gerundet) 0.13 0.26 0.36 0.46 0.56

 

Ab dem 1. Juli 2023 soll dann ein bundeseinheitlicher Personalschlüssel gelten. Wird dieser nicht eingehalten, muss die Einrichtung mit Kürzungen der Pflegevergütung oder gar der Kündigung des Versorgungsvertrages rechnen. 

Kritik an der PpUGV: Nicht alle befürworten die Regelung

Die PpVGU bietet Chancen, die Pflege gerechter und transparenter zu gestalten. Dank der Untergrenze existieren konkrete Leitlinien, an welche sich die Einrichtungen halten müssen. Durch die Abschläge, welche bei Nichteinhaltung bezahlt werden müssen, gibt es einen zusätzlichen Anreiz, eine Unterbesetzung zu vermeiden. Pflegekräfte können so entlastet werden. Einen weiteren positiven Nebeneffekt bringt die PpUGV-Berechnung: So sind nun viele Krankenhäuser, welche zuvor auf Vertrauensarbeitszeiten gesetzt haben, dazu gezwungen, elektronische Zeiterfassung einzuführen. 

Kritiker sehen jedoch einige Schwachpunkte in der Regelung. Der größte Kritikpunkt ist wohl, dass er das größte Problem der Pflegebranche, den Fachkräftemangel, nicht an der Wurzel packt. Einrichtungen müssen nun eventuell zusätzliche Pflegekräfte einstellen, die aber am Arbeitsmarkt gar nicht verfügbar sind. Anstatt für mehr Attraktivität zu sorgen, werden also Gesetze erlassen, die zwar an sich sinnvoll sind, aber allein keine nachhaltige Lösung bieten. 

Zudem wird kritisiert, dass die Untergrenzen leicht umgangen werden können – zumindest solange diese noch nicht für alle Stationen gelten. So kann zum Beispiel Personal oder gar Patientinnen und Patienten aus Bereichen ohne Untergrenzen in solche mit Untergrenzen verlegt werden. Auf diese Weise verlagert sich das Problem. Auch denkbar ist, dass Krankenhäuser, welche laut PpUGV „überbesetzt“ sind, ihre Stellen reduzieren könnten – womit niemandem geholfen wäre. 

Kompliziert wird es auch in der Umsetzung. Denn die Anzahl der Patientinnen und Patienten in einer Schicht kann selbstverständlich stark schwanken. So ist die Station an einem ruhigen Tag vielleicht überbesetzt, an einem anderen aber unterbesetzt. Zwar werden die monatlichen Durchschnittszahlen erfasst, jedoch müssen pro Quartal die Schichten berichtet werden, in welchen die Stationen unterbesetzt waren.

Die Personaluntergrenze in der Pflege ist ein hilfreiches Instrument, um eine Überbelastung von Pflegekräften zu vermeiden. Dafür muss sie aber konsequent durchgesetzt und überwacht werden – ansonsten finden Einrichtungen Mittel und Wege, sie zu umgehen. Am eigentlichen Problem der Pflegebranche ändert die Untergrenze wenig. Dazu muss sie mit anderen Maßnahmen kombiniert werden, welche die Arbeitsbedingungen attraktiver machen. Die Pflegereform 2021 sieht dafür unter anderem vor, dass ab September 2022 nur noch Pflegeeinrichtungen zugelassen werden, welche nach Tarif bezahlen. Außerdem sollen Pflegekräften im Arbeitsalltag mehr Entscheidungsfreiheiten bekommen und zum Beispiel selbst Hilfsmittel verordnen dürfen. Ob diese Neuerungen ausreichen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, muss sich zeigen. 
 

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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.