Norwegische und schwedische Flagge

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 28.04.2022

Gesundheitssystem in Schweden & Norwegen

So funktioniert Pflege in Skandinavien

Die Gesundheitssysteme in Schweden und Norwegen gehören zu den besten der Welt – und obwohl auch Deutschland in entsprechenden Rankings meist sehr gut abschneidet und durchaus mit den skandinavischen Ländern mithalten kann, wenden sich viele mit einem fast neidischen Blick nach Norden. Doch wie unterscheidet sich eigentlich die Pflege in Skandinavien von der in Deutschland und läuft dort wirklich vieles besser als bei uns? Wir haben uns das Pflegesystem in Schweden und Norwegen einmal genauer angesehen. Was können wir von den Skandinaviern lernen?

Norwegen & Schweden: Gesundheitssystem in öffentlicher Hand

Die häusliche Pflege ist in Deutschland sehr verbreitet: Rund 1,7 Mio. Pflegebedürftige werden hierzulande ausschließlich durch ihre Angehörigen gepflegt. Das System freut sich über diese Zahlen, denn so bleiben die Kosten für die Pflege geringer und viele Pflegebedürftige beteiligen sich selbst zu einem großen Teil an den Kosten. Dies geht nicht nur zu Lasten des Geldbeutels von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen, sondern hat auch einen großen Einfluss auf die Gesellschaft. Oftmals übernehmen nämlich immer noch Frauen diese unbezahlte Arbeit, die psychisch und körperlich sehr belastend sein kann. 

Während der deutsche Staat in der Pflege praktisch nur einspringt, wenn keine (ausreichende) Unterstützung durch die Familie geleistet wird, sieht die Struktur des Gesundheitssystems in Schweden und Norwegen ganz anders aus. Im Gesundheitssystem in Schweden oder Norwegen hängt die Pflege bei Weitem nicht so stark von der Familie ab, sondern wird vorrangig öffentlich, also durch Steuergelder finanziert. Im Mittelpunkt dieses Systems stehen die Gemeinden, die für einen großen Teil der Kosten aufkommen. Die Pflegebedürftigen selbst müssen fast keine Ausgaben für ihre Pflege in Kauf nehmen, Angehörige aus unterschiedlichen sozialen Ständen können so alle dasselbe Angebot wahrnehmen. Auf diese Weise verhindert das Gesundheitssystem in Schweden, dass Pflegebedürftige auf ihre Angehörigen angewiesen sind und sorgt auch indirekt für mehr Gleichberechtigung – weniger Frauen haben einen Gehaltsausfall, weil sie sich um Angehörige kümmern. 

Skandinavisches Pflegemodell: So ist die Arbeit für Pflegekräfte im Norden

Norwegen und Schweden sind für viele Pflegekräfte ein Traumarbeitsland. In der Theorie klingt die Arbeit dort deutlich attraktiver als in Deutschland: Pflegekräfte verfügen über eine umfassende akademische Ausbildung und betreuen nur etwa halb so viele Patient:innen pro Kopf wie in Deutschland. Das Gesundheitssystem in Skandinavien wird zudem durch eine hervorragende Kinderbetreuung unterstützt, die eine Vereinbarung von Familie und Beruf vereinfacht. Ebenfalls interessant: Während in Deutschland viele Pflegerinnen und Pfleger weniger als zehn Jahre in ihrem Beruf arbeiten, bleiben in Schweden die meisten Pflegekräfte bis zu ihrem Renteneintritt in ihrem Job, auch gibt es deutlich weniger Arbeitnehmer:innen, die weniger als 20 Stunden in der Woche arbeiten. 

Weil das für Deutsche nach tollen Arbeitsbedingungen klingt, überrascht es besonders, dass die schwedischen Kolleg:innen unzufriedener mit ihren Arbeitsbedingungen sind als die Pflegekräfte hierzulande. Sie schätzen sowohl ihre eigenen Leistungen negativer ein, als auch die Unterstützung durch ihre Vorgesetzten. Zudem wird die hohe Arbeitsbelastung von den Schwed:innen noch negativer eingeschätzt als von deutschen Pflegekräften. Eine mögliche Erklärung dafür könnte die akademische Ausbildung sein, welche bei den Pflegerinnen und Pflegern höhere Ansprüche an ihren Beruf und sich selbst weckt. 

Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung?

Gesundheitssystem Schweden: Vor- und Nachteile

Auch wenn das Gesundheitssystem in Skandinavien besonders vorbildlich klingt, ist natürlich auch dort nicht alles perfekt. Sicher ist: Ein makelloses System existiert nicht – so schön das auch wäre. Wir haben uns einige Vor- und Nachteile des Gesundheitssystems in Schweden angesehen.

Vorteile: 

  • Die Finanzierung des Gesundheitssystems in Schweden geschieht über die Steuer und nicht wie in Deutschland über die Pflegeversicherung und Privatfinanzierung. Dadurch steht in Schweden auch mehr Geld zur Verfügung. Es wird anteilsmäßig rund dreimal so viel in die Pflege investiert wie in Deutschland
  • Die Pflege in Schweden ist in öffentlicher Hand, es gibt (bisher) nur wenige private Einrichtungen.
  • Der Pflegeschlüssel in Schweden ist deutlich vorteilhafter als in Deutschland, wovon sowohl Pflegebedürftige als auch Pflegekräfte profitieren.
  • Pflegekräfte müssen in Schweden studieren, die akademische Ausbildung (Bachelor) dauert mindestens drei Jahre, zusätzlich kann ein Master und sogar eine Promotion absolviert werden. So wird eine hohe fachliche Qualität in der Pflege sichergestellt. 

Nachteile:

  • Was auch in Deutschland immer wieder für Unmut sorgt, ist auch in Schweden kein Fremdwort: Lange Wartezeiten. Auch bei schweren Erkrankungen müssen Versicherte oftmals lange auf einen Termin warten.
  • Aufgrund mancher Unzulänglichkeiten wie den langen Wartezeiten nimmt auch in Schweden die Zahl der privat Versicherten immer mehr zu. Diese sind zwar trotzdem noch im gesetzlichen System, nutzen aber oft Zusatzversicherungen, um etwa schneller behandelt zu werden. 
  • Manche Quellen kritisieren das Prinzip der Distriktpflegekräfte. Diese müssen (in etwa wie hierzulande die Hausärztinnen und -ärzte) aufgesucht werden, um die weitere Behandlung zu planen. Es kann also nicht direkt ein Facharzt oder eine Fachärztin aufgesucht werden.
  • Es gibt zu wenige niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, die zudem immer öfter nur Privatpatient:innen annehmen.

Gesundheitssystem in Schweden: Das können wir lernen

Das Pflegesystem in Deutschland kommt im weltweiten Vergleich sehr gut weg. Allerdings hat es einige Schwachstellen, welche Pflegekräfte Tag für Tag im Alltag beobachten können. Die Pflege in Skandinavien gilt oftmals als Vorbild. So könnte Deutschland wie auch Länder wie Schweden oder Norwegen von einem System profitieren, das weniger privat und mehr öffentlich finanziert wird. Auch diese Weise könnten die Sozialkassen entlastet und besser bezahlte und attraktivere Jobs geschaffen werden. 

Nichtsdestotrotz gibt es hierzulande einige Hürden, die dieser Entwicklung entgegenstehen – und zwar nicht nur politische, sondern auch gesellschaftliche. Viele Deutsche misstrauen nämlich dem Pflegesystem und kümmern sich lieber selbst um Angehörige. Oftmals haben diese auch das Gefühl, ihre Familienmitglieder in eine Pflegeeinrichtung „abzuschieben“ – ein starker Ausbau der Pflege im öffentlichen Bereich könnte also von vielen Menschen gar nicht gewünscht sein.  
 

Wie kann die Pflege der Zukunft aussehen?

Wir werfen einen Blick auf den aktuellen Stand der Pflege in Deutschland und wagen einen Blick in die Zukunft. Wie lauten die Forderungen der Pflegenden und wie kann man ihnen begegnen?

Und: Warum ist und bleibt die Pflege ein Beruf mit Zukunft? 

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Altenpflege in Skandinavien: Als Pflegekraft auswandern?

Die Pflege in Skandinavien hat dich überzeugt und du denkst darüber nach, in eines der Länder im Norden auszuwandern? Dann stehen deine Chancen gar nicht mal so schlecht, denn wie auch in Deutschland gibt es in Skandinavien einen hohen Bedarf an Pflegekräften. Besonders bietet sich als Auswanderungsland Schweden an, da es (im Gegensatz zu Norwegen) ein EU-Mitglied ist und du einfach dorthin ziehen kannst, ohne dich in dieser Hinsicht um viel Bürokratie zu kümmern. 

Etwas anders sieht es aus mit der fachlichen Anerkennung. Die Ausbildung in Schweden unterscheidet sich deutlich von der in Deutschland und vor allem der Beruf des Altenpflegers oder der Altenpflegerin wird so direkt nicht anerkannt. Als ausgebildete:r Gesundheits- und Krankenpfleger:in hast du bereits bessere Chancen – ideal ist ein abgeschlossenes Pflegestudium. Wichtig ist zudem, dass du sehr gute schwedische Sprachkenntnisse nachweisen musst: Mindestens ein Niveau von C1 solltest du haben. Hast du einen Job gefunden, dann verdienst du als Kranken- oder Altenpfleger:in in Schweden im Durchschnitt 2.600 bis 2.800 € im Monat.  

Das Pflegesystem in Norwegen und Schweden wird in Deutschland oft gelobt und gilt als vorbildlich – auch wenn es natürlich selbst seine Schwächen hat. Ob sich ein solches System auch in Deutschland durchsetzen könnte, ist schwierig zu sagen, da hierzulande eine andere Mentalität und Einstellung gegenüber professioneller Pflege besteht. Diese wird in Deutschland nicht als selbstverständlich, sondern eher als letzter Ausweg verstanden. Auch die Akademisierung der Pflege geht in Deutschland nur schleppend voran: Das erweiterte Hochschulangebot wird von potenziellen Pflegekräften nicht so in Anspruch genommen wie gehofft. 

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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.