Die Gesundheitssysteme in Schweden und Norwegen gehören zu den besten der Welt – und obwohl auch Deutschland in entsprechenden Rankings meist sehr gut abschneidet und durchaus mit den skandinavischen Ländern mithalten kann, wenden sich viele mit einem fast neidischen Blick nach Norden. Doch wie unterscheidet sich eigentlich die Pflege in Skandinavien von der in Deutschland und läuft dort wirklich vieles besser als bei uns? Wir haben uns das Pflegesystem in Schweden und Norwegen einmal genauer angesehen. Was können wir von den Skandinaviern lernen?
Norwegen & Schweden: Gesundheitssystem in öffentlicher Hand
Die häusliche Pflege ist in Deutschland sehr verbreitet: Rund 1,7 Mio. Pflegebedürftige werden hierzulande ausschließlich durch ihre Angehörigen gepflegt. Das System freut sich über diese Zahlen, denn so bleiben die Kosten für die Pflege geringer und viele Pflegebedürftige beteiligen sich selbst zu einem großen Teil an den Kosten. Dies geht nicht nur zu Lasten des Geldbeutels von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen, sondern hat auch einen großen Einfluss auf die Gesellschaft. Oftmals übernehmen nämlich immer noch Frauen diese unbezahlte Arbeit, die psychisch und körperlich sehr belastend sein kann.
Während der deutsche Staat in der Pflege praktisch nur einspringt, wenn keine (ausreichende) Unterstützung durch die Familie geleistet wird, sieht die Struktur des Gesundheitssystems in Schweden und Norwegen ganz anders aus. Im Gesundheitssystem in Schweden oder Norwegen hängt die Pflege bei Weitem nicht so stark von der Familie ab, sondern wird vorrangig öffentlich, also durch Steuergelder finanziert. Im Mittelpunkt dieses Systems stehen die Gemeinden, die für einen großen Teil der Kosten aufkommen. Die Pflegebedürftigen selbst müssen fast keine Ausgaben für ihre Pflege in Kauf nehmen, Angehörige aus unterschiedlichen sozialen Ständen können so alle dasselbe Angebot wahrnehmen. Auf diese Weise verhindert das Gesundheitssystem in Schweden, dass Pflegebedürftige auf ihre Angehörigen angewiesen sind und sorgt auch indirekt für mehr Gleichberechtigung – weniger Frauen haben einen Gehaltsausfall, weil sie sich um Angehörige kümmern.
Skandinavisches Pflegemodell: So ist die Arbeit für Pflegekräfte im Norden
Norwegen und Schweden sind für viele Pflegekräfte ein Traumarbeitsland. In der Theorie klingt die Arbeit dort deutlich attraktiver als in Deutschland: Pflegekräfte verfügen über eine umfassende akademische Ausbildung und betreuen nur etwa halb so viele Patient:innen pro Kopf wie in Deutschland. Das Gesundheitssystem in Skandinavien wird zudem durch eine hervorragende Kinderbetreuung unterstützt, die eine Vereinbarung von Familie und Beruf vereinfacht. Ebenfalls interessant: Während in Deutschland viele Pflegerinnen und Pfleger weniger als zehn Jahre in ihrem Beruf arbeiten, bleiben in Schweden die meisten Pflegekräfte bis zu ihrem Renteneintritt in ihrem Job, auch gibt es deutlich weniger Arbeitnehmer:innen, die weniger als 20 Stunden in der Woche arbeiten.
Weil das für Deutsche nach tollen Arbeitsbedingungen klingt, überrascht es besonders, dass die schwedischen Kolleg:innen unzufriedener mit ihren Arbeitsbedingungen sind als die Pflegekräfte hierzulande. Sie schätzen sowohl ihre eigenen Leistungen negativer ein, als auch die Unterstützung durch ihre Vorgesetzten. Zudem wird die hohe Arbeitsbelastung von den Schwed:innen noch negativer eingeschätzt als von deutschen Pflegekräften. Eine mögliche Erklärung dafür könnte die akademische Ausbildung sein, welche bei den Pflegerinnen und Pflegern höhere Ansprüche an ihren Beruf und sich selbst weckt.