Gewalt gegen Pflegekräfte

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 01.02.2021

Gewalttätige Patienten: So verhältst du dich richtig

Was du bei der Deeskalation beachten solltest

Die Gewalt von Patienten gegen Ärzte, Pflegekräfte, Psychologen, Sanitäter und viele andere Beschäftigte in der Gesundheitsbranche nimmt zu – das beobachten Betroffene wortwörtlich am eigenen Leib. Die Gründe dafür sind vielfältig und hängen unter anderem mit einer geringen Wertschätzung für diese Berufe und mit dem Zeitmangel bei der Betreuung zusammen. Wie du als Pflegekraft von aggressiven Patienten betroffen sein kannst und vor allem wie du am besten mit solchen Situationen umgehst, erfährst du hier. 

So häufig ist Gewalt durch Patienten

Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) befragten Pflegekräfte im Rahmen einer Umfrage zu ihren Erfahrungen mit Gewalt durch Patienten. Die Ergebnisse sprechen für sich: Innerhalb der letzten zwölf Monate erfuhren 76% der Pflegekräfte in Krankenhäusern, 73% der Pflegekräfte in der stationären Altenpflege und 51% der Pflegekräfte in der ambulanten Pflege körperliche Gewalt. Was verbale Gewalt angeht, so bleibt offensichtlich fast niemand verschont. In den Krankenhäusern sind es hier 97%, in der stationären Altenpflege 94% und in der ambulanten Pflege 90% der Pflegekräfte, die in den letzten zwölf Monaten betroffen waren. Nicht zu vernachlässigen ist übrigens auch die Gewalt durch Angehörige: In der Notaufnahme sind diese mit etwa 40% die am häufigsten gewaltbereite Gruppe. 

Diese Faktoren können Gewalt fördern

In der Pflege arbeitest du mit den verschiedensten Menschen zusammen. Darunter sind auch einige, deren psychische oder körperliche Verfassung sie anfälliger macht für Aggressionen. Der Missbrauch von Alkohol oder Drogen so wie verschiedene psychische Erkrankungen können solche Risikofaktoren sein. Dabei sind die Formen, in denen Pflegekräfte und Pflegende Gewalt erfahren, sehr vielfältig. Sie reichen von verletzenden und beleidigenden Worten über körperliche Gewalt bis hin zu sexueller Belästigung. Auch die Situation im Krankenhaus oder der Altenpflege trägt ihren Teil dazu bei, dass Patienten und Pflegebedürftige Menschen Aggressionen entwickeln. Sie fühlen sich durch die für sie ungewohnte Situation abhängig und oftmals fällt es ihnen schwer, die Kontrolle abzugeben. Muss ein Mensch gepflegt werden, dann ist dies für diese Person in der Regel vor allem zu Beginn für ihn mit viel Stress verbunden – er befindet sich also in einer Ausnahmesituation und weiß sich vielleicht nicht anders zu helfen. Haben Pflegekräfte keine Zeit, um richtig auf diese Patienten einzugehen und sie entsprechend zu betreuen, tritt ein Gefühl der Vernachlässigung ein, welches die Aggresionen und den Stress noch verstärken kann. 

Das Ärzteblatt sieht zudem einen Zusammenhang mit der Darstellung von Gewalt in den Medien, die laut Aussage der Zeitschrift oft unkommentiert bleibt und nicht kritisiert wird. Auf diese Weise sehen viele Menschen in medialen Personen, die sich aggressiv verhalten, ein Vorbild. Das Verhalten wird dann in realen Situationen imitiert. 

Das Ärzteblatt sieht zudem einen Zusammenhang mit der Darstellung von Gewalt in den Medien.

Das muss und kann deine Einrichtung tun

Damit du und deine Kollegen vor Angriffen jeglicher Art bestmöglich geschützt sind, sollte es in deiner Einrichtung einige Vorkehrungen der Gewaltprävention geben, die euch dabei unterstützen, Gewalt vorzubeugen. Diese Maßnahmen werden von Arbeitsschutzverantwortlichen getroffen. Denn das Gesetz schreibt eine Gefährdungsbeurteilung vor, aufgrund derer konkrete Schritte identifiziert werden sollen, die zum Schutz aller Arbeitnehmer getroffen werden können. Das beginnt bei ganz grundlegenden Dingen wie zum Beispiel Fluchtwegen oder bestimmten Räumen, in die du dich zurückziehen kannst, einer guten Beleuchtung der Räumlichkeiten und wenn möglich dem Verzicht auf Gegenstände, von denen Gefahr ausgehen könnte. 

Wenn du allein mit Patienten bist, von denen potenziell Gefahr ausgehen kann, sollte ein sogenanntes Personen-Notsignal-Gerät dafür sorgen, dass du in brenzligen Situationen schnell Hilfe bekommst. Leider ist dies in vielen Fällen noch nicht Standard. Für den Notfall sollte es in deiner Einrichtung auch ein entsprechendes Alarmierungssystem und einen Notfallplan geben. Kennst du diese noch nicht, informiere dich bei deinem Vorgesetzten darüber.

Gewaltprävention: So machst du es richtig

Um Aggressionen im Keim zu ersticken, ist es zunächst einmal wichtig, sich (so gut das eben möglich ist) Zeit für alle Patienten bzw. pflegebedürftige Personen und deren Bedürfnisse zu nehmen und respektvoll mit ihnen umzugehen. Fühlen sich die Menschen verstanden und ernst genommen, wird eine Atmosphäre geschaffen, die Gewalt weniger als mögliche Lösung zulässt. Versuche dich also auch in schwierigen Situationen in die andere Person hineinzuversetzen und handle empathisch.

Nicht immer ist es natürlich möglich, einen Patienten auf diese Weise davon abzuhalten, aggressiv zu werden – manchmal kommen diese Gefühle ganz unerwartet und auch scheinbar grundlos auf und es hilft nur noch eines: Deeskalation. In der konkreten Situation gibt es verschiedene Dinge, die du tun kannst. Zunächst einmal solltest du (auch wenn du vielleicht Angst hast) ruhig bleiben und beherrscht sprechen und körperliche Distanz zu dem aggressiven Patienten halten. Versuchst du ihn zu berühren, kann er das als Angriff interpretieren und mit körperlicher Gewalt reagieren. Hilfreich sein können auch bestimmte Mantras, die du dir schon vorher überlegen solltest „Ich lasse mich nicht provozieren“, „Ich habe alles im Griff“ oder ähnliche Sätze kannst du dann innerlich wiederholen. 

Halte in jeden Fall Ausschau nach möglichen Fluchtwegen und versuche dich bei Verdacht auf Eskalation schon früh so zu positionieren, dass du in der Nähe eines Ausgangs stehst und schnell vor der Person weglaufen könntest. Versuche zudem, auch den Angreifer einzuschätzen: Wärst du ihm bei einem körperlichen Übergriff überlegen? Befindet sich ein gefährlicher Gegenstand in der Nähe?

Um dir Zeit zu verschaffen und gleichzeitig andere auf die Situation aufmerksam zu machen, empfehlen Experten, bei einer konkreten Attacke laut zu werden. Das verunsichert den Angreifer oft und kann dir einen Vorteil verschaffen. Generell ist es für jede Pflegekraft auch sinnvoll, bestimmte Techniken zu lernen, um in schwierigen Situationen richtig zu reagieren – sowohl verbal als auch körperlich. Möglich ist das in Selbstverteidigungskursen, in denen du zum Beispiel lernst, wie du dich aus bestimmten Griffen befreist oder dich gegen Angriffe wehren kannst. Auch spezielle Deeskalationskurse werden von einigen Einrichtungen angeboten. Sprich am besten deine Vorgesetzte darauf an. 

Nach der Gewalttat: Was ist zu tun?

Bist du Opfer einer Gewalttat geworden, dann ist zunächst einmal die Polizei zu verständigen – das kann natürlich auch ein Kollege oder eine Kollegin übernehmen. Bei einem Übergriff handelt es sich schließlich um eine Straftat. Sowohl für die körperliche als auch die psychische Behandlung der Folgen ist die gesetzliche Unfallversicherung zuständig. Nehme auf jeden Fall Hilfe an und sprich sowohl mit deinen Vorgesetzten als auch mit einem Psychologen offen über den Vorfall, wenn dieser dich nicht loslässt. Scham ist hier vollkommen fehl am Platz und es ist normal, sich nach einer solchen Erfahrung schlecht zu fühlen – auch wenn diese schon lange her ist. 

Wirst du Zeuge einer Gewalttat gegen einen Kollegen oder berichtet dieser dir von einer solchen Situation, ist es zudem sehr wichtig, dass du richtig reagierst. Mache der Person auf keinen Fall Vorwürfe (auch dann nicht, wenn sie vielleicht falsch reagiert hat), zeige Verständnis für die Situation und die Gefühle des Betroffenen und spiele beides nicht herunter: Versichere der Person, dass ihre Reaktion verständlich ist. Versuche nicht, davon zu erzählen, dass dir oder einer anderen Person einmal etwas Ähnliches passiert ist – das hilft in diesem Moment nur wenig. Schaffe stattdessen eine Atmosphäre, in der sich die Kollegin oder der Kollege sicher fühlt. 

Umso mehr Erfahrungen du mit problematischen Situationen sammelst, desto souveräner wirst du auch. Verlasse dich aber nicht nur auf deine Instinkte, sondern bereite dich aktiv vor – indem du dir professionelle Hilfe in Form von Kursen holst, aber auch indem du potenzielle Gefahrensituationen im Kopf durchgehst und wie bei einer Art Probe auch verbal übst. So verhinderst du, in eine Art Schockstarre zu verfallen, wenn es tatsächlich so weit ist. In den meisten Fällen ist die Gewalt nicht gegen dich persönlich gerichtet – vergiss das nicht und lasse dich nicht in deiner Tätigkeit verunsichern.
 

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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.