Eine traurige, weibliche Pflegefachkraft steht vor einem Gebäude

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 11.10.2021

Mobbing am Arbeitsplatz – Psychoterror in der Pflege

Warum Mobbing in sozialen Berufen so verbreitet ist

Wer an Mobbing denkt, der denkt oft an den Schulhof, an Jugendliche und Gruppenzwang und an sogenanntes Cybermobbing. Jedoch gibt es für Mobbing keine Altersgrenze: Viele Erwachsene fangen nach der Schule genau dort an, wo sie aufgehört haben. Besonders hoch ist der Anteil von Mobbing in der Pflege. Aus einer Studie des Neuropsychiatrischen Zentrums Hamburg (NPZ) aus den Jahren 2019 und 2020 geht hervor, dass ein Drittel der Pflegekräfte am Arbeitsplatz Unstimmigkeiten bis hin zum Mobbing erlebt haben. Eine Verbesserung der Situation sehen nur sieben Prozent der Befragten. Doch warum ist Mobbing im Krankenhaus oder in Pflegeeinrichtungen so verbreitet?

Mobbing in sozialen Berufen: Warum ausgerechnet hier?

Wer jeden Tag mit kranken und pflegebedürftigen Menschen zu tun hat, sollte genug Mitgefühl haben, um seinen Frust nicht an den Kolleginnen und Kollegen auszulassen, die sich in derselben Situation befinden – könnte man meinen. Leider ist oft das Gegenteil der Fall. Jeden Tag Leistung bringen, voll anwesend sein und psychischen und physischem Druck standhalten: Die alltägliche Arbeit verlangt Pflegekräften viel ab. Möglichkeiten, Druck abzubauen finden dann viele im Kollegium. Andere schlecht zu machen oder sich mit anderen gegen eine Person zu verbünden, kann ein positives Gefühl von Macht herbeiführen – wie sich der Betroffene dabei fühlt, ist dabei zweitrangig. Besonders junge Pflegerinnen und Pfleger, die motiviert in ihren neuen Beruf starten, müssen oft die Missgunst älterer Kolleginnen und Kollegen spüren, welche befürchten, dass diese ihnen den Rang ablaufen könnten.

Expertinnen und Experten sehen die Ursachen nicht nur in der schwierigen Situation in der Pflege, welche sich aus dem Fachkräftemangel und der daraus resultierenden hohen Arbeitsbelastung ergibt, sondern auch in den Hierarchieverhältnissen. Oftmals sind diese nicht klar definiert und die Angestellten müssen sie sozusagen unter sich ausmachen. Ein weiterer Grund für Mobbing in sozialen Berufen können befristete Verträge sein. Diese üben einen hohen Druck auf Angestellte aus. Diese wollen sich beweisen und gegen andere durchzusetzen – zur Not mithilfe von Mobbing. 

Unter Mobbing am Arbeitsplatz leiden in der Pflege auch oftmals Personen mit häufigen Fehlzeiten. Diese werden als unzuverlässig und nicht kameradschaftlich wahrgenommen und bekommen entsprechend den Frust der anderen zu spüren.
 

Daran erkennst du Mobbing am Arbeitsplatz  

Ein böser Blick oder eine blöde Bemerkung sind noch lange kein Mobbing. Auch in einem professionellen Umfeld ist es normal und in Ordnung, wenn du mit einem Kollegen oder einer Kollegin manchmal nicht klar kommst oder es kleine Konflikte gibt. 

Mobbing am Arbeitsplatz ist unter anderem durch ein ungleiches Macht- oder Kräfteverhältnis der Parteien charakterisiert. Das bedeutet zum Beispiel, dass die mobbende Person eine Führungskraft ist, dass eine Gruppe von Personen sich gegen eine Einzelperson richtet. Aber auch charakterlich kann ein ungleiches Kräfteverhältnis vorhanden sein, wenn zum Beispiel eine unsichere Person von einer lauten, aggressiven oder eine unerfahrene von einer erfahrenen Person gemobbt wird. Zudem muss das negative Verhalten gegenüber der diskriminierter Person über einen längeren Zeitraum anhalten und “systematisch” ausgeübt werden, um als Mobbing eingestuft zu werden.

Beim Mobbing im Krankenhaus oder in Pflegeeinrichtungen muss keine körperliche Gewalt angewandt werden. Auch “psychologische Kriegsführung“ kann für Betroffene sehr belastend sein und den Arbeitsalltag unerträglich machen. Oftmals geschieht das nicht offensichtlich, sondern beginnt sehr subtil.

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Beispiele für Mobbing am Arbeitsplatz:

  • Die Kolleg/innen erzählen dir absichtlich nicht von wichtigen Meetings oder Änderungen im Schichtplan.
  • Du wirst von den Kolleg/innen ignoriert, sie vermeiden es, mit dir zu sprechen und wünschen beispielsweise keinen guten Morgen.
  • Deine Kolleg/innen lästern über dich – sowohl hinter deinem Rücken als auch bei der Chefin.
  • Die Kolleginnen machen sich zum Beispiel in Whatsapp-Gruppen über dich lustig, verbreiten Gerüchte oder drohen dir sogar.
  • Auch Mobbing durch den/die Vorgesetzte/n ist möglich: Wenn er/sie dir etwa laufend Aufgaben gibt, die dich über- oder unterfordern oder er dich vor anderen Kolleg/innen lächerlich macht.
  • Ebenso kann körperliches Mobbing in der Pflege vorkommen: Zum Beispiel, wenn das Bein gestellt wird oder die Person wiederholt an ihr unangenehmen Stellen berührt wird.

Was tun bei Mobbing? So reagierst du am besten

Mobbing und Pflege sind keine Widersprüche, sondern gehen leider oftmals Hand in Hand. Wenn auch du davon betroffen bist und dich fragst, was du gegen Mobbing tun kannst, gibt es einige hilfreiche Handlungsanweisungen, mit denen du deine Situation verbessern kannst. Mit einem frühen Handeln kannst du oft Schlimmeres vermeiden:

  1. Spreche mit deinem/deiner Vorgesetzten über die Situation. Spreche über deine Erfahrungen und frage nach Unterstützung.
  2. Suche dir wenn möglich in der Einrichtung Personen, denen du vertrauen kannst. Das können Kollegen, die Chefin oder Ansprechpartner in der Personalabteilung beziehungsweise im Personalrat sein. Gemeinsam findet man leichter eine Lösung. 
  3. Führe ein Tagebuch, in welchem du das Mobbing am Arbeitsplatz dokumentierst. Das hilft dir später dabei darzulegen, warum du dich diskriminiert fühlst und kann entscheidend sein, wenn es zu rechtlichen Fragen kommen sollte. 
  4. Ein direktes, sachliches Gespräch mit der oder den Personen, die dich mobben, kann bei der Lösungsfindung helfen. Ob dies sinnvoll ist, hängt jedoch vom Einzelfall ab. Nicht immer ist eine Aussprache möglich oder sinnvoll.
  5. Fühlst du dich durch die Anfeindungen stark belastet und lässt sich keine andere Lösung finden, kann dein Arzt dich deswegen krankschreiben.
  6. Lässt sich das Mobbing nicht unterbinden, solltest du darüber nachdenken, deinen aktuellen Job zu kündigen und dir einen neuen Job zu suchen. In diesem Fall solltest du einen Anwalt für Arbeitsrecht hinzuziehen. Dir können zum Beispiel Schmerzensgeld, Schadensersatzansprüche, Behandlungsgeld oder eine Abfindung zustehen. 

Neben den praktischen Schritten, die du unternehmen kannst, solltest du auch deine psychische Verfassung im Blick behalten. Gemobbte Personen fühlen sich oft hilflos oder suchen die Schuld gar bei sich selbst. Mache dir bewusst, dass du keine Verantwortung für das Handeln deiner Kolleginnen und Kollegen trägst und versuche, nicht in eine Opferrolle zu fallen. Das offene Gespräch mit Freundinnen oder Familienmitgliedern kann dabei sehr gut helfen.

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Was tun gegen Mobbing: So handeln Führungskräfte am besten

Dass Mobbing in sozialen Berufen verbreitet ist, spüren nicht nur die Pflegekräfte, sondern auch Führungskräfte. Nicht immer ist ihnen bewusst, was sie gegen Mobbing tun sollen. Vermutest du, dass es in deinem Team einen Mobbingfall gibt oder kommt eine betroffene Person direkt auf dich zu, solltest du deshalb überlegt handeln. Du hast eine Fürsorgepflicht gegenüber deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und musst Maßnahmen ergreifen, um das Mobbing zu unterbinden. Dabei steht an erster Stelle das Gespräch mit den Mobbern selbst. Versuche herauszufinden, warum die Person oder die Personen auf diese Weise handeln und versuche, so den Konflikt zu lösen. Spreche gegebenenfalls eine Abmahnung aus und weise die Person auf drohende Konsequenzen hin. Führt das Gespräch nicht zum Erfolg, können eine Versetzung oder eine Kündigung mögliche nächste Schritte sein. Informiere dich zuvor über die rechtliche Lage.

Gegenüber des Opfers solltest du dich empathisch verhalten, eventuell eine Freistellung veranlassen oder psychologische Hilfe durch einen Experten hinzuziehen. Höre dem Opfer zu und finde heraus, was seine Situation verbessern könnte. Darauf sollten dann selbstverständlich auch entsprechende Maßnahmen folgen.

Nicht zuletzt sollten konkrete Schritte unternommen werden, um das Mobbing im Krankenhaus oder der Pflegeeinrichtung zu bekämpfen. Oftmals stecken dahinter strukturelle Probleme – gerade in der Pflege sind das der Druck durch den Personalmangel, unklare Hierarchieverhältnisse und befristete Arbeitsverträge. Hier sollte auf Aufklärung und die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse gesetzt werden und zum Beispiel den Mitarbeitern eine vertrauenswürdige Anlaufstelle geboten werden. 
 

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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.