Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 13.04.2020

Schwierige Angehörige: So reagierst du richtig

Wenn du plötzlich noch einen Patienten hast

Niemand beginnt damit, in der Pflege zu arbeiten, und erwartet ein einfaches Arbeitsumfeld – zwischenmenschliche Herausforderungen gehören zum Pflegealltag und das von der ersten Stunde an. Trotzdem wird es immer wieder Momente geben, in denen du als Pflegekraft an deine Grenzen kommst und in denen du das Gefühl hast, dass deine Leistungen von denen nicht wertgeschätzt werden, die dich am meisten brauchen. Dabei sind es oft nicht einmal die Patienten, die Pflegern und Pflegerinnen das Leben schwer machen – schwierige Angehörige können noch viel schlimmer sein. Wir geben dir Tipps, wie du am besten mit diesen „zusätzlichen Patienten“ umgehst.

 

Das Schlagwort „zusätzlicher Patient“ ist passender, als es zunächst scheint. Den Angehörigen der Patienten oder Bewohner fehlt zwar nichts, dennoch solltest du versuchen, es so zu sehen. Das macht es für dich als Pflegepersonal einfacher, deren Verhalten nachvollziehen, sollte es noch so unangebracht sein. Viele Angehörige fühlen sich mit der Situation überfordert und brauchen ihrerseits Hilfe, damit umzugehen. Schließlich geht es ja um nahe Verwandten, meist sogar um Mutter oder Vater, also die eigenen Eltern, um die sie sich sorgen und über die sie aus diversen Gründen die Kontrolle abgeben mussten. Sind sie dann der Meinung, ob berechtigt oder nicht, dass mit den Menschen schlecht umgegangen wird oder sie keine adäquate Betreuung erhalten, vergessen sie oft ihre gute Erziehung und sehen sich in der Verantwortung, den Patienten zu verteidigen – dieser kann das schließlich oft nicht mehr selbst. Vor diesem Hintergrund solltest du folgende Verhaltensregeln beachten:

Nimm die Angehörigen ernst – aber zeige ihnen Grenzen auf

Auf jeden Fall solltest du gut zuhören, wenn die Angehörigen dir sagen, was sie von dir erwarten. Schließlich wissen sie am besten, was dem Patienten wichtig ist, was seine Bedürfnisse sind und wie man sich am besten um ihn kümmert. Sie kennen diesen Menschen schließlich ihr Leben lang. Filtere diese Informationen heraus und nehme sie ernst, ohne auf den Tonfall zu achten – Sie könnten für sich wichtig sein. Dann kümmerst du dich um deinen „zusätzlichen Patienten“. 

Erkläre in einem Gespräch, dass du seine Bedenken für berechtigt hältst, aber dass deiner Meinung nach andere Prioritäten gesetzt oder andere wichtige Schritte zuerst durchgeführt werden müssen. Spreche mit ihm über deinen Zeitplan und zeige ihm, wie viel Zeit du für welche Tätigkeit hast und erkläre ihm sachlich, dass du auch nur ein Mensch bist und Fehler machen kannst. Dieses Eingeständnis hilft oft schon weiter, schließlich wird der Angehörige so daran erinnert, dass er es nicht mit einem Roboter zu tun hat (was viele tatsächlich zu vergessen zu scheinen).

Besonders hilft es, wenn du auf die Beschwerden eingehst und konkret erklärst, wie sich eine bestimmte Situation zugetragen hat, sodass es zu der kritischen Situation kam. Sag nicht „Ich habe zu wenig Zeit“, sondern „Wir hatten heute einen Notfall, um den ich mich dringend kümmern musste“ oder „Heute Morgen sind zwei Kollegen kurzfristig ausgefallen, aber ich tue trotzdem mein Bestes“. Bleib dabei natürlich bei der Wahrheit, sonst ist das Vertrauensverhältnis bald dahin.

Starte einen Gegenangriff – mit Freundlichkeit

Viele Angehörige fühlen sich mit der Pflegesituation überfordert. Sie haben zum Beispiel Angst, nicht alles richtig zu machen, haben ein schlechtes Gewissen, weil sie die Pflege nicht allein stemmen können oder befürchten, vor anderen oder den eigenen Eltern als schlechte Kinder dazustehen. Diese Unsicherheit kompensieren sie dann mit Angriffen auf das Pflegepersonal. Dieses „hat es ja gelernt und sollte doch eigentlich keine Fehler machen“. Um die Angehörigen zu beschwichtigen, die oft auch mit der Doppelbelastung aus Beruf und Pflege zu kämpfen haben, solltest du versuchen, mit Freundlichkeit an die Sache heranzugehen und keine Konflikte zu provozieren. Lobe sie dafür, wie sie sich um den Patienten kümmern, wie oft sie zu Besuch kommen oder erwähne, wie sehr sich der Patient über ein Geschenk gefreut hat. 

Versuche, etwas Schönes zu finden, das ihnen das Gefühl gibt, dass zumindest einer ihre Bemühungen sieht. Das wird dich besonders bei chronisch schlechtgelaunten und überengagierten Angehörigen Überwindung kosten, kann aber wahre Wunder bewirken. Besonders, wenn du ihnen Anekdoten von dem Patienten erzählst, die sie zum Schmunzeln bringen, kannst du Pluspunkte sammeln. Trotz möglicher Differenzen lieben die meisten Angehörigen ihre Eltern oder Verwandten und werden gerne daran erinnert, dass sie trotz körperlicher oder mentaler Schwäche noch immer die Alten sind.

Vielleicht kannst du ihnen auch Tipps geben, wie sie am besten mit den Angehörigen umgehen, wie sie beispielsweise das Krankenbett bedienen, wie sie dem Patienten helfen können, in den Rollstuhl zu steigen oder wie sie sich sonst noch nützlich machen können. Viele Angehörige werden dankbar reagieren und die Ratschläge gerne entgegen nehmen. 

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Lass dir nicht alles gefallen

Manchmal kommt man mit Freundlichkeit nicht weiter. Wenn ein Angehöriger dich zum Beispiel beleidigt, dich regelmäßig bei der Arbeit aufhält, behindert oder gar Patienten in Gefahr bringt, dann musst du ihm ganz klar sagen, dass es so nicht geht. Habe keine Angst davor, ihn darauf hinzuweisen, dass es bestimmte Regeln gibt, an die er sich genauso halten muss wie du. Sollte die Situation immer noch nicht besser werden, wende dich an deinen Vorgesetzten und erkläre, dass du unter diesen Bedingungen nicht weiter arbeiten kannst. Oft hilft es, wenn eine höhergestellte Person den Angehörigen zur Vernunft bringt. Auch ein klärendes Gespräch zwischen allen Beteiligten kann in solch einem Fall helfen. Wenn möglich, kannst du auch den Patienten miteinbeziehen. 
 

Besorgte Angehörige können dir das Leben zur Hölle machen – und das musst du dir nicht gefallen lassen. Trotzdem ist es ratsam, mit Fingerspitzengefühl an die Sache heranzugehen, es mit Aufmerksamkeit und Freundlichkeit zu versuchen, bevor du zu drastischeren Maßnahmen greifst. Angehörige sind im Endeffekt auch nur Menschen, die das Beste wollen. Auch wenn die meisten theoretisch um die Engpässe in der Pflege wissen, verstehen sie in der Praxis oft nicht, warum ihre Verwandten nicht alles bekommen können, was sie sich vorstellen. Hier musst du als Mediator einspringen und die Angehörigen auf den Boden der Tatsachen zurückholen.

Patienten und Angehörige sind nicht das Problem, sondern dein Arbeitgeber?

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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.