Eine Pflegekraft hält die Hände eines anderen Menschen

Verfasst von Milana Zorn|Veröffentlicht am 24.01.2022

Spiritual Care – der ganze Mensch im Blick

Was bedeutet Spiritual Care und wo findet sie Anwendung?

"Wieso trifft es mich?", "Was wird mit mir passieren?", "Werde ich heute Nacht sterben?“
Das sind Fragen, die du vermutlich nicht zum ersten Mal hörst. Gerade auf Palliativstationen, wo sterbenskranke Menschen ihre letzten Tage, Wochen oder Monate verbringen, entsteht aufgrund der intensiven Betreuung häufig eine emotionale Beziehung zwischen Patient:in und Pfleger:in und solche Gespräche sind keine Seltenheit. Wie geht man in diesem Fall mit solchen bedrückenden Fragen um? Wir geben dir einen Einblick in den Bereich der Spiritual Care, welcher genau diese Thematik behandelt.

Was ist Spiritual Care?

Die Spiritual Care ist ein Teilbereich der palliativen Versorgung. Hierbei werden wichtige Umgangsmöglichkeiten mit sterbenden Menschen erlernt, die nicht nur wertvoll für den Patienten, sondern auch für dich als Pfleger:in sind. 

Die WHO (World Health Organization) hat bereits im Jahr 2002 die Wichtigkeit der Anwendung von Palliativmedizin – und demnach auch der Spiritual Care – verdeutlicht. Mittels der Unterstützung durch das gesamte Krankenhauspersonal soll die Lebensqualität der Patienten so gut wie möglich unterstützt werden. Dies gilt hier jedoch nicht nur für die körperliche Versorgung, sondern zielt besonders auf die psychische und psychosoziale Ebene der Patienten ab. Es geht also um die Bedürfnisse, die über die medizinische Versorgung hinausgehen. 

In der Spiritual Care geht es um tiefgründige und vertrauliche Gespräche. Dies gilt sowohl für den Patienten, als auch für dich. „Was ist der Sinn des Lebens? Wie fühlt sich sterben an? Habe ich ein erfülltes Leben gelebt?“ sind nur einige Beispiele eines solchen Gesprächs. 

Was bedeutet spirituell? 

Wie der Name bereits sagt, spielt die Spiritualität in der Spiritual Care die entscheidende Rolle. Doch was genau bedeutet Spiritualität? Trotz der weit verbreiteten Annahme, dass es hierbei vor allem um die Religiosität der Patienten geht, wird mit dem Begriff deutlich mehr verbunden. 
Der Theologe und Religionspädagoge Traugott Roser hat in Zusammenarbeit mit Eckard Frick die Spiritual Care in Deutschland erfolgreich eingeführt. Er bezeichnet die Spiritualität als das „was der Patient dafür hält“. Somit scheint die Spiritualität ein individuelles Konstrukt zu sein, welches auch so behandelt werden soll. 
Ob gewollt oder nicht, bist du vermutlich während deiner Arbeitszeit schon oft in Kontakt mit den verschiedensten Arten von Spiritualität gekommen. Hierbei handelt es sich um alles, was in jeder Art und Weise in Kontakt mit der ethischen Vorstellung des Patienten zusammenhängt
 

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Was lerne ich in der Weiterbildung im Bereich der Spiritual Care?

Mittels einer Weiterbildung im Bereich der Spiritual Care soll dir und deinen Kolleg:innen sowohl der Begriff der Spiritualität, als auch der Umgang mit der Spiritualität deiner Patient:innen nähergebracht werden. Damit ist gemeint, dass dir zusätzlich zur alltäglichen Pflegeroutine und dem Kontakt zu deinen Patienten gezeigt wird, wie du den Blick auf den ganzen Menschen richtest. Also auf seine Lebensgeschichte und auch seine religiösen und allgemein spirituellen Ansichten. Somit unterstützt du nicht nur deinen Patienten oder die Patientin, sondern kannst auch persönlich wertvolle Erfahrungen sammeln.

In der Weiterbildung werden zum einen verschiedene Fachkompetenzen im Bereich der Spiritual Care gelernt, zum anderen aber auch Methodenkompetenzen, damit du das gelernte Wissen in der Praxis anwenden kannst. 

Zum Einstieg werden dir die verschiedenen Grundlagen der Spiritual Care nähergebracht.

Grundlagenlehre

  • Was ist Spiritual Care? 
  • Wann wende ich Spiritual Care an und wann nicht? 
  • Erlernen der verschiedenen Facetten von Spiritualität 
  • Spiritualität als Ressource, um mit Bedürfnis und Belastung zu erkennen 
  • Verständnis verschiedener religiösen Ansichten gegenüber dem Tod und dem Krankheitserleben

Im weiteren Verlauf der Weiterbildung lernst du die Anwendung der erlernten Grundlagen.

Anwendungslehre

  • Wie reagiere ich in spirituellen Gesprächen und woran erkenne ich ein solches?
  • Wann ist der richtige Zeitpunkt, ressourcenaktivierend zu arbeiten? 
  • Wie reagiere ich auf spirituelle Fragen, ohne dabei Grenzen zu überschreiten? 
  • Wann wende ich ressourcenstärkende Übungen an, um den Patienten zu fördern?
  • Nicht zu vergessen ist der persönliche Nutzen, den du aus einem spirituellen Gespräch mit deinen Patienten ziehen kannst! In der Weiterbildung lernst du, aus deinen Gesprächen persönlich zu wachsen.

Persönlichkeitsentwicklung

  • Wie lerne ich aus den gesammelten Erfahrungen meines Patienten? 
  • Woran erkenne ich, wann ich meine Grenzen erreiche und wann die meines Patienten? 
  • Wie bleibe ich trotz dem umfangreichen Kontakt mit verschiedenen schwerwiegenden Diagnosen oder dem Tod positiv und optimistisch? 
  • Wie reagiere ich auf die anderen Ansichten meines Patienten?

Trotz der enormen Wichtigkeit der Spiritual Care im Pflegebereich scheint es nur wenige Angebote für Fort- und Weiterbildungen zu geben. Das bedeutet, Bedeutet also, dass bislang nur wenige Krankenhäuser die Möglichkeit haben, ihrem Pflegepersonal die Spiritual Care näher zu bringen. 

Unsere Empfehlung: Mit der zunehmenden Verbreitung der Wichtigkeit der Spiritual Care ziehen immer mehr Bundesländer mit und bieten Fortbildung- und Weiterbildungsplätze an. Somit ist es durchaus sinnvoll, sich hin und wieder nach neuen Angeboten der Diakonie, verschiedener Universitäten oder Lehrkrankenhäuser zu erkundigen. 
 

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Die Aufgaben der Spiritual Care 

Seit mehr als 10 Jahren findet die Spiritual Care ihren Platz in deutschen Krankenhäusern, insbesondere auf den Palliativstationen. Ziel ist es jedoch, die Methode auch auf das gesamte Krankenhaus auszuweiten. Denn auch wenn die Spiritual Care vorrangig den Patient:innen helfen soll, kann sie auch zu einer entlastenden Wirkung für das gesamte Pflegepersonal verhelfen. Aufgabe der Spiritual Care ist es, dass Körper und Geist als ein Ganzes gesehen werden – und auch so behandelt. 

Du fragst dich sicher: Wie soll es möglich sein, ein so wichtiges und psychologisch wertvolles Gespräch mit deinem Patienten zu führen, wenn du während deiner Schicht aufgrund von enormem Zeitmangel kaum Zeit zum Luft schnappen hast? Es ist nicht immer einfach, jedem Patienten gerecht zu werden, während du hunderte andere Aufgaben im Kopf hast. Die Palliativstation kann jedoch aufgrund der finanziellen Unterstützung vieler Krankenkasse zusätzliche Stunden an das Pflegepersonal auszahlen, wodurch du als Pfleger mehr Zeit für längere Einzelgespräche mit deinen Patienten und Patientinnen hast. Denn gerade die Patient:innen, die kurz vor ihrem letzten Atemzug stehen, verdienen Aufmerksamkeit und ein offenes Ohr. 

Außerdem gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Entlastung, die das Krankenhaus anbieten kann. Eine davon ist die Supervision. Es ist nicht immer einfach den Klinikalltag alleine zu bewältigen. Gerade wenn du häufig mit dem Tod und Leid von Patient:innen konfrontiert wirst, ist es wichtig, unbedingt auch an dich und deine Gesundheit zu denken. 

Hierbei hilft das gemeinsame Gespräch mit dem Team, in dem man sich über belastende Themen austauschen und im besten Fall auch Tipps zur Bewältigung geben und bekommen kann. Denk immer daran: Du bist nicht alleine!