Ein Chirurg hält einen Wecker in der Hand

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 04.08.2022

Arbeitszeitmodelle in der Pflege: Ist Schichtdienst ein Muss?

Und: Das neue 7/7-Modell im Check

Die Arbeitszeiten in der Pflege sind nicht bekannt dafür, besonders arbeitnehmerfreundlich zu sein: Schichtdienst, oftmals nur wenig Zeit für Erholung und dazu noch für ausgefallene Kolleginnen und Kollegen einspringen, wenn zu wenig Personal da ist – davon können die meisten Pflegekräfte ein Lied singen. Neue Arbeitszeitmodelle in der Pflege haben zum Ziel, dass der Beruf attraktiver wird. Es sollen sich dank neuer Herangehensweisen einerseits mehr Menschen für die Arbeit in Pflegeeinrichtungen interessieren und andererseits weniger Pflegekräfte wegen Überlastung ihren Beruf verlassen. Dadurch, dass die Work-Life-Balance in der Pflege verbessert wird und zum Beispiel Jobs in der Krankenpflege ohne Schichtdienst angeboten werden, erhoffen sich Pflegekräfte endlich besser Arbeitsbedingungen. Doch wie sehen die Arbeitszeitmodelle in der Pflege eigentlich aus?

Arbeitszeitmodelle Pflege: In Krankenhaus & ambulanter Pflege ist Schichtdienst typisch 

Wer schon einmal in der Pflege gearbeitet hat, kennt auch die Arbeitszeiten in der Altenpflege, der ambulanten Pflege und in Krankenhäusern. Traditionell wird hier in drei Schichten gearbeitet: Frühschicht, Spätschicht und Nachtschicht. Meist erfolgt ein Wechsel zwischen zwei Schichten, etwa der Früh- und Spätschicht. Die Arbeitszeiten im Pflegedienst sind etwas anders: Dort wird die Nachtschicht oftmals nicht besetzt, weil die Patientinnen und Patienten entweder keine Betreuung benötigen oder von Angehörigen versorgt werden. 

Vorteile des Schichtdienstes:

Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung haben die Schichtmodelle in der Pflege nicht nur Nachteile. Praktisch ist es zum Beispiel, dass sich private Termine leichter vereinbaren lassen: Muss vormittags ein Handwerker in die Wohnung, kannst du den Termin ganz einfach auf einen Tag legen, an dem du in der Spätschicht arbeitest. Auch sorgen die Arbeitszeitmodelle in Krankenhaus und Pflege für mehr Abwechslung. Abends und nachts stehen etwa andere Aufgaben an als morgens oder tagsüber. Einer der größten Vorteile der Schichtarbeit ist das höhere Gehalt. Die Schichtzulagen können einen angenehmen Bonus auf dem Gehaltszettel bedeuten. 

Nachteile des Schichtdienstes:

Für viele Pflegekräfte überwiegen beim Schichtmodell die Nachteile. Besonders wichtig ist hier zu nennen, dass die Arbeitszeitmodelle in ambulanter Pflege und Co. recht ungesund sind – sie entsprechen nicht dem Biorhythmus und der Körper muss sich ständig neu einstellen. Das kann beispielsweise zu Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden und innerer Unruhe führen. Auch die Freizeitgestaltung wird erschwert: Oft musst du arbeiten, wenn andere Freizeit haben, und umgekehrt. Das Sozialleben leidet deshalb in vielen Fällen unter der Schichtarbeit. Nicht zuletzt ist der Schichtdienst nicht besonders familienfreundlich, da du ein großes Organisationstalent benötigst und oft auf Hilfe angewiesen bist, um deine Kinder zu versorgen oder Angehörige zu pflegen. 

Diese Arbeitgeber unterstützen flexible Arbeitszeitmodelle:

Innovative Arbeitszeitmodelle in der Pflege: Das 7/7-Arbeitszeitmodell

Auf die Forderung nach neuen Arbeitszeiten in der Pflege gibt es in einigen Einrichtungen nun entsprechende Reaktionen. Vielerorts wird versucht, innovative Arbeitszeitmodelle in Krankenhaus und Pflegeeinrichtungen zu bieten, um als Arbeitgeber attraktiver zu werden. Die verbreitetste Option ist dabei das 7/7-Arbeitszeitmodell. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein Schichtmodell, jedoch werden nur zwei Schichten vergeben. Praktisch sieht das so aus: Du arbeitest sieben Tage am Stück und hast dann sieben Tage lang frei (wobei jedoch manchmal ein Tag davon für administrative Aufgaben genutzt wird). Um auf 35 Stunden pro Woche (was als Vollzeit gewertet wird) zu kommen, dauern die Schichten an deinen Arbeitstagen jeweils zehn Stunden, plus zwei Stunden Pause. 

Vorteile des 7/7-Arbeitszeitmodells

Besonders vorteilhaft ist die lange Ruhezeit in diesem innovativen Pflege-Arbeitszeitmodell. Nach einer Arbeitswoche kannst du dich ganze sieben Tage lang ausruhen, was zu weniger Krankheitsfällen sowohl bei dir selbst als auch bei Kolleginnen und Kollegen führen kann. Du musst also auch seltener einspringen. Zudem sind die Planbarkeit und die Zuverlässigkeit des Dienstplans deutlich höher als beim Drei-Schichten-System – es kann lange Zeit im Voraus geplant werden, was auch die Work-Life-Balance verbessert. An jedem zweiten Wochenende hast du frei. Ebenfalls sind auf diese Weise längere Urlaube von drei Wochen einfach realisierbar. 

Für die Patientinnen und Patienten hat das 7/7-Modell ebenfalls Vorteile. Es gibt tagsüber keinen Schichtwechsel mit Informationsverlust mehr, wodurch sie den ganzen Tag von denselben Pflegekräften betreut werden. Diese können dann besser auf die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner eingehen. Zudem herrscht dank der zwei (statt drei) Schichten eine höhere Personaldichte. Es gibt für die Pflegekräfte mit diesem Modell dank längerer Schichten und mehr Personal etwas weniger Zeitdruck, sodass der Umgang mit Bewohnerinnen und Bewohnern entspannter vonstattengeht.  

Nachteile des 7/7-Arbeitszeitmodells

Das 7/7-Arbeitszeitmodell hat nicht nur Vorteile. Denn auch wenn es natürlich sehr entspannt ist, jede zweite Woche frei zu haben, musst du dafür eine ganze Woche lang sehr lange arbeiten. 70 Stunden pro Woche (plus Pausen) in der Pflege tätig zu sein, ist nicht ohne und kann sehr kräftezehrend wirken. Auch bleibt während der Arbeitswochen nur noch sehr wenig Zeit für Familie und Freizeit, wenn man bedenkt, dass jeden Tag auch noch die Anfahrtszeit hinzukommt. Gegen Ende der Woche nimmt die Leistungsfähigkeit oft stark ab. 

Das 3+3-Modell aus Schweden – das bessere 7/7-Modell?

Schweden ist sowohl ein Vorreiter in der Pflege als auch beim Thema Work-Life-Balance. Ein Blick nach Norden lohnt sich folglich auch bezüglich der Arbeitszeitmodelle. Einige Pflegeeinrichtungen haben dort nämlich das 3+3-Modell eingeführt: drei Tage arbeiten, drei Tage frei – bei einer 85 Prozent-Anstellung mit Vollzeitvergütung. Die Einrichtungen berichten von einem Wegfall von mehr als 50 Prozent der Überstunden, weniger Krankheitstagen und weniger Kündigungen. Vielleicht findet das 3+3-Modell auch in Deutschland schon bald seine ersten Anwender? 

 

Pflege ohne Schichtdienst: Gibt es das überhaupt?

Viele Pflegebedürftige benötigen potenziell rund um die Uhr Betreuung. Deshalb ist die Pflege ein typischer Schichtberuf: Als Pfleger oder Krankenschwester ohne Schichtdienst zu arbeiten, erscheint vielen unmöglich. Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, Stellenangebote als Pflegefachkraft ohne Schichtdienst zu finden – was nicht bedeutet, dass es keine Optionen für dich gibt, wenn du genug hast von Früh- oder Spätschichten! Möglich ist es zum Beispiel, dass du in den Funktionsdienst wechselst, wo oftmals ohne Schichten gearbeitet wird. Voraussetzung dafür ist eine Weiterbildung zum Fachkrankenpfleger oder zur Fachkrankenpflegerin, zum Beispiel in der Anästhesie oder in der Endoskopie. Weitere Pflegeberufe ohne Schichtdienst finden sich etwa in der Dialyse. 

Möglich ist es zudem, in der ambulanten Altenpflege ohne Schichtdienst zu arbeiten. Zwar sind in der ambulanten Pflege die Arbeitszeiten typischerweise die Früh- und Spätschicht, immer öfters gibt es allerdings die Option, dauerhaft im Nachtdienst als Nachtwache zu arbeiten. Zugegebenermaßen ist auch das nicht ideal, da nur wenige Menschen gerne durchgehend nachts arbeiten und es (wie auch die Wechselschicht) gesundheitliche und soziale Nachteile mit sich bringt. Wenigstens fällt mit diesem Arbeitszeitmodell in der ambulanten Pflege der ständige Wechsel weg – bist du also eine Nachteule, könnte das zumindest eine zeitweilige Lösung sein.

Pflegeberufe ohne Schichtdienst: Oft ist ein Wechsel notwendig

Möchtest du deine Arbeitszeiten in der Pflege langfristig verändern, dann kann sich auch eine Umschulung lohnen. Diese kommt aber nur infrage, wenn du auch dein Berufsbild deutlich verändern möchtest – sprich, nicht mehr als klassische Pflegekraft arbeiten. So bieten sich zum Beispiel Jobs in der Verwaltung an, wo oft auch ein besseres Gehalt auf dich wartet. Gesucht werden Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter zum Beispiel bei Krankenversicherungen. Ebenfalls ist es möglich, als Pflegekraft in einer Facharztpraxis zu arbeiten und dabei ähnliche Aufgaben wie medizinische Fachangestellte zu übernehmen. Diese typischen „9-to-5“ (oder heutzutage eher „9-to-6“) Jobs sind mit den Arbeitszeiten in der Altenpflege oder in Krankenhäusern kaum zu vergleichen und bieten eine deutlich bessere Work-Life-Balance. 

Möchtest du deinen Arbeitgeber oder dein Arbeitsumfeld nicht verlassen, aber dem Schichtdienst in der Pflege den Rücken zukehren, kann sich ein beruflicher Aufstieg lohnen. Als Führungskraft arbeitest du oftmals im Regeldienst und kannst zusätzlich von flexiblen Arbeitszeitmodellen in der Pflege profitieren – wie zum Beispiel Teil- oder Gleitzeitregelungen. 

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Arbeitszeitmodelle der Zukunft in der Pflege 

Wenn du nach Stellenangeboten in der Pflege ohne Schichtdienst suchst, wirst du es eher schwer haben – der Beruf verlangt es praktisch, dass du nicht nur zu bestimmten Zeiten für deine Patientinnen und Patienten da bist. Neue Arbeitszeitmodelle in der Altenpflege und im Krankenhaus – wie beispielsweise das 7/7-Modell – sorgen jedoch dafür, dass trotz Schichtarbeit eine gute Work-Life-Balance möglich ist und du genug Zeit für Erholung hast. 

Flexible Arbeitszeitmodelle im Krankenhaus gibt es in vielen Einrichtungen schon für Ärztinnen und Ärzte, aber auch Pflegekräfte profitieren von manchen Modellen: Zum Beispiel durch die Möglichkeit, den Dienstbeginn nach vorn oder hinten zu verschieben, die Wochenarbeitszeit (mit Vorlauf) flexibel anzupassen oder Jobsharing zu betreiben, also eine Stelle zwischen zwei Personen aufzuteilen. Auch sogenannte Flexipools helfen bei der besseren Vereinbarung von Job und Privatleben. Dabei kannst du angeben, wann du arbeiten kannst und möchtest und wirst dann dementsprechend in verschiedenen Fachbereichen eingesetzt, in denen du zu diesen Zeiten benötigt wirst. 

Die Arbeitszeitmodelle in der Pflege werden sich auch langfristig nicht so ändern, dass sie denen eines klassischen Bürojobs entsprechen. Allerdings ist immer mehr Flexibilität möglich und Arbeitgeber suchen nach Lösungen, die in der ambulanten und mobilen Pflege Arbeitszeiten ermöglichen, die weniger körperlich und psychisch fordernd sind. Wenn du dich überfordert fühlst, gibt es meist auch die Möglichkeit, in Teilzeit zu wechseln und so mehr Zeit für dich zu haben. Leisten kann sich das aber nicht jeder – dafür müssten die Stundenlöhne deutlich steigen. 

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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.