Eine Frau schlägt sich verzweifelt die Hand vors Gesicht.

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 24.08.2020

Pflege: Wann sollte ich kündigen?

Wenn die innere Kündigung real wird

Als Pflegekraft bist du auf dem Arbeitsmarkt momentan sehr gefragt. Die Arbeitgeber reißen sich geradezu um Pflegefachkräfte und in vielen Regionen in Deutschland kannst du dir deine Stelle praktisch aussuchen. Diese ideale Ausgangsposition steht oft im totalen Widerspruch zu dem Berufsalltag, den viele Pflegekräfte Tag für Tag erleben. Unterbezahlt, unflexible Arbeitszeiten, keine Wertschätzung durch Chefs, Ärzt*innen oder Kolleg*innen – die Gründe, unglücklich mit deiner Arbeit zu sein, sind zahlreich. Also warum noch im Job bleiben, wenn man die Wahl hat? Wir zeigen dir, was du bedenken solltest, wenn du mit dem Gedanken spielst zu kündigen – und wann du deinem Job noch eine Chance geben solltest.

 

Jeden Tag dasselbe im Krankenhaus: Kaum bist du durch die Tür gekommen, wirst du gleich mal vom schlecht gelaunten Chefarzt oder der Chefärztin begrüßt, der  oder die dich keines Blickes würdigt. Daneben steht schon die Stationsleitung, die ungeduldig auf die Uhr schaut und dir einen bösen Blick zuwirft, weil du zwei Minuten zu spät bist. Weiter geht’s zu den ersten Patient*innen, die einfach nicht damit aufhören wollen, sich jeden Tag lautstark über das Essen zu beschweren. Wenn der Tag dann endlich vorbei ist, bist du zu müde, um deine Freizeit zu genießen, wirfst noch einen Blick auf den Lohnzettel, um festzustellen, dass das mit der Gehaltskürzung kein Aprilscherz war und legst dich ins Bett, nur um den ganzen Alptraum am nächsten Tag nochmal durchzumachen. Du denkst wir übertreiben? Tatsächlich geht es zahlreichen Pflegekräften so – und viele von ihnen zögern trotzdem, zu kündigen.

Wenn du dich in den folgenden Kriterien wiedererkennst, dann ist es für dich wahrscheinlich Zeit zu gehen:

1. Du fühlst dich nicht als Teil des Teams

Deine Kolleg*innen sind ein eingespieltes Team und haben keinen Platz für dich? Natürlich braucht es seine Zeit, sich in ein neues Team einzuleben. Wenn du nach mehreren Monaten immer noch das Gefühl hast, nicht dazuzugehören oder sogar von deinen Kolleg*innen schlecht behandelt wirst, dann wirst du hier auf Dauer nicht glücklich werden.
 

Gerade in der Pflege ist es wichtig, zusammenzuhalten und auch auf der Arbeit Freundschaften zu schließen.


Fehlt dieser Zusammenhalt, wird das auch Auswirkungen auf dich und deine Arbeit haben.
 

2. Deine Arbeitgeber sind nicht zufrieden mit dir

Wenn ständig an dir herum genörgelt wird, obwohl du einen guten Job machst, dann ist das definitiv ein Zeichen dafür, dass deine Arbeit von deinem Arbeitgeber nicht wertgeschätzt wird und dass du woanders besser aufgehoben bist. Das gilt natürlich nur, wenn du wirklich dein Bestes gibst, und trotzdem das Gefühl hast, dass deine Anstrengungen nicht belohnt werden.
 

Wenn die Anerkennung fehlt, lässt auch deine Motivation nach – das, was dich ja eigentlich in diesen Job gebracht hat!

3. Du bist körperlich und psychisch überlastet
 

Als Pflegekraft wirst du im Schnitt öfters krankgeschrieben sein als der durchschnittliche Arbeitnehmer. Das liegt daran, dass die Arbeit natürlich körperlich und psychisch sehr anstrengend ist und sich das auch auf deine Gesundheit auswirkt.
 

Hast du aber das Gefühl, andauernd überlastet zu sein und an deinem Limit zu arbeiten, solltest du die Notbremse ziehen.


Besonders psychischen Erkrankungen wie Burnout oder Depressionen gilt es auf jeden Fall vorzubeugen – im Notfall mit einem Jobwechsel.
 

4. Du hast keine Lust mehr auf die Arbeit

Ein offensichtlicheres Zeichen wie dieses gibt es nicht: Du hast keine Lust mehr zur Arbeit zu gehen. Damit meinen wir nicht, dass es dir am Montagmorgen davor graust, zu deiner Einrichtung oder deinen Patient*innen zu fahren. Schließlich hat jeder Tage, an denen er oder sie am liebsten einfach hinschmeißen würde. Wir sprechen von einer konstant fehlenden Motivation und oft sogar Angst vor der Arbeit.
 

Siehst du keinen Sinn mehr in dem, was du machst und kannst dir über einen längeren Zeitraum nicht vorstellen, so weiterzumachen, dann sollte ein neuer Arbeitgeber her.

5. Du wirst nicht angemessen bezahlt

Dass die Bezahlung in der Pflegebranche nicht die beste ist, wissen wir. Allerdings gibt es auch große Unterschiede zwischen den Arbeitgebern und Einrichtungen. Hast du das Gefühl, dich ständig am unteren Ende des Spektrums zu befinden und siehst keine Chance auf Besserung, könnte das ein Grund sein, deinen Arbeitgeber zu wechseln. Bist du aber ansonsten zufrieden mit deiner Stelle, kann es sich lohnen, zuerst einmal mit deinen Vorgesetzten zu sprechen und eine Gehaltserhöhung zu verhandeln.

6. Du hast bereits eine neue Stelle in Aussicht

Ein sehr guter Grund, deinen Job zu wechseln, ist die Aussicht auf eine bessere Stelle, für die du im besten Fall schon ein konkretes Angebot hast. Du hast richtig Lust auf den neuen Job, kennst vielleicht schon ein paar der Kolleg*innen und hast nur Gutes über den Arbeitgeber gehört?
 

Dann gibt es eigentlich keinen Grund mehr, den Job nicht anzunehmen.

7. Du hast innerlich schon gekündigt

Die innere Kündigung kommt meist schon Wochen oder Monate, bevor sich die Überzeugung festigt, dass du deinen Job wirklich verlassen möchtest. Du fantasierst über all die Dinge, die du tun könntest, wenn du nicht in deinem Alptraum-Job gefangen wärst, du hast einen Hass auf deine Vorgesetzten und Kolleg*innen und malst dir aus, wie du dir im Hollywood-Stil dein Namensschild von der Brust reißt und laut „Ich kündige!“ rufst? Dann ist auch die reale Kündigung nicht mehr weit entfernt.

Zusammenarbeit, Soziales & eine offene Kultur

Achtung: Deine Kündigung noch einmal überdenken solltest du, wenn:

  • Du erst wenige Wochen oder Monate angestellt bist. Expert*innen empfehlen mindestens 100 Tage, um den neuen Job richtig einschätzen zu können. Überstürze lieber nichts.
  • Du schwanger bist. Warte lieber ab und nutze den Mutterschutz, bevor du kündigst und dir einen neuen Job suchst. Als Schwangere eine neue Stelle zu suchen, wird sehr schwierig.
  • Du keinen neuen Job in Aussicht hast. Warte nicht mit der Bewerbung, bis du arbeitslos bist, sondern suche dir schon vorher etwas Neues.
  • Du aktuell persönliche Probleme oder Beziehungsprobleme hast. Die Doppelbelastung von neuem Job und psychischer Belastung im Privatleben könnte zu viel für dich sein. Andererseits kann eine Veränderung auch gut tun. Höre hier auf dein Bauchgefühl.

 

Bevor du kündigst, ist es immer ratsam, noch einmal mit deinem Arbeitgeber zu sprechen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Erzähle ihm noch nicht, dass du darüber nachdenkst, den Job aufzugeben – mit einer Kündigung zu drohen, ist nie eine gute Strategie. Ändert sich nichts oder stellt sich dein*e Chef*in quer, kannst du immer noch deine Kündigung einreichen. Gehe auf jeden Fall auf Nummer Sicher und bewerbe dich schon aus deiner alten Stelle auf einen neuen Job – nicht erst, wenn du arbeitslos bist. So vermeidest du, dass du aus Zeitdruck oder finanziellen Sorgen wieder eine Stelle annehmen musst, mit der du nicht glücklich wirst. Viel Spaß in deinem neuen Job!

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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.