Ein Demonstrationsschild mit der Aufschrift "End Racism"

Verfasst von Sarah Derkaoui|Veröffentlicht am 17.01.2022

Rassismus in der Pflege: Was du dagegen tun kannst

Tipps für den Umgang mit Diskriminierung & Fremdenfeindlichkeit

Offener Fremdenhass ist nur ein Beispiel für Rassismus in der Pflege. Oft sind die Diskriminierungen viel subtiler. Und sie können sowohl Pflegekräfte, als auch Patient:innen betreffen. Betroffene sollten sich fremdenfeindliches Verhalten unter keinen Umständen gefallen lassen. In diesem Artikel verraten wir dir, was du tun kannst.

Rassismus in der Pflege: Was versteht man darunter?

Unter Rassismus wird jede Art von Diskriminierung und Herabsetzung verstanden, die sich auf die Abstammung, Herkunft und/oder Religion des Opfers bezieht. Darunter werden sowohl mündliche Äußerungen, als auch Gewalttaten und Ungleichbehandlungen gefasst. 

Etwas genauer wird es bei dem Begriff der Diskriminierung. Werden Personen aufgrund individueller oder gruppenspezifischer Merkmale nachteilig behandelt oder herabgewürdigt, verstößt dies gegen Artikel 3 des Grundgesetzes. 

Dieser lautet “(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.”

Rassismus in der Pflege kann dabei viele Gesichter haben. Offene Schikanen, beleidigende Kommentare über die Hautfarbe oder die Frage, warum denn “so eine/r hier als Pflegekraft arbeitet” sind nur ein Ausschnitt aus den Rassismusformen, denen viele Pflegende ausgesetzt sind. Oft sind die Anfeindungen aber auch subtil. Denn wer möchte schon als Rassist:in abgestempelt werden? Deshalb stellen sich Betroffene nach Diskriminierungen oft selbst infrage. 

Warum kommt Rassismus in der Pflege so häufig vor?

In Pflegeeinrichtungen, Altenheimen und auf der Station im Krankenhaus treffen Patient:innen und Pflegekräfte unterschiedlicher Herkunft und Bildung aufeinander, die jeweils ganz individuelle Lebensverläufe haben. Eigentlich eine perfekte Chance, um sich an Toleranz und einem empathischen Miteinander zu üben.

Doch so einfach ist es leider nicht immer. In der Pflege treffen zwei Faktoren zusammen:

  • Die Zahl qualifizierter Pflegefachkräfte mit Wurzeln außerhalb Deutschlands nimmt stetig zu. Damit können manche Patienten und Patientinnen nicht umgehen. Bei älteren Patienten kann es beispielsweise passieren, dass sie traumatische Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg auf osteuopäische Pflegefachkräfte übertragen.
  • Umgekehrt erleben aber auch Patient:innen Diskriminierungen durch Pflegekräfte. Das belegen Zahlen, die der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vorliegen. Zwischen 2013 und 2016 erfuhren 15 Prozent der Personen, die sich an die Behörde wendeten, Herabwürdigungen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft.

Die vielen Formen von Fremdenfeindlichkeit in der Pflege

Das Paradoxe an Rassismus ist, dass diejenigen, von denen er ausgeht, häufig davon überzeugt sind, keine Rassisten oder Rassistinnen zu sein. Entweder waren die Äußerungen “nicht so gemeint”, ein “Missverständnis”, oder man solle doch bitte “über das harmlose Gelaber” hinwegsehen. 

Klar, dass das bei manchen Betroffenen zu Selbstzweifeln führt. Gerade, wenn dann auch noch Vorgesetzte mit Unverständnis reagieren, schlucken Pflegekräfte, die wiederholten Diskriminierungen ausgesetzt sind, ihren Frust oft herunter.

Was das im Berufsalltag für Pflegepersonal bedeutet, zeigte einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Pflegekräfte mit Migrationshintergrund machen häufiger unbezahlte Überstunden, sind oft schlechteren Arbeitsbedingungen ausgesetzt und übernehmen häufiger Putzarbeiten in den Zimmern der Patienten, als deutschstämmiges Pflegepersonal. Auch weist die Studie darauf hin, dass Pflegefachkräfte aus Osteuropa vermehrt rassistischen Kommentaren und Kritik ausgesetzt waren. Deutlich wurde ebenfalls eine Form des strukturellen Rassismus. Offensichtlich werden Pflegekräfte mit nicht-deutschen Wurzeln weniger an täglichen Besprechungen beteiligt (14 %), als dies bei deutschen Pflegenden der Fall ist (37 %). 

Patient:innen, die Rassismus durch Ärzte und Pflegepersonal erfahren, haben es da ähnlich schwer – und können sich oft nur unzureichend gegen die Herabwürdigungen wehren. Wie viele Menschen mit mangelnden Deutschkenntnissen oder einem Migrationshintergrund kennen die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und schalten diese ein, wenn sie benachteiligt werden? Hier ist sowohl aufseiten des Pflegepersonals, als auch aufseiten der Patienten Aufklärungsarbeit gefragt. Eine Sensibilisierung für andere Kulturen und die Aufklärung über die eigenen Rechte können Möglichkeiten darstellen, Rassismus in der Pflege vorzubeugen.

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Was du gegen Diskriminierung in der Pflege tun kannst!

Lässt sich Rassismus in der Pflege vollständig vermeiden? Wahrscheinlich nicht. Was wir jedoch kontrollieren können, ist unser Umgang mit solchen Vorkommnissen. Doch dazu müssen wir bei uns selbst anfangen.

  1. Eigene Vorurteile überdenken. Auch, wenn wir uns sicher sind, keine Rassisten zu sein – manche unserer Vorurteile laufen oft unbewusst mit, wenn wir im Alltag Entscheidungen treffen oder uns im Umgang mit anderen Menschen befinden. Versuche, dir deine Ansichten bewusst zu machen. Das kann helfen, Diskriminierungen, die nicht als solche gemeint waren, zu verhindern.  
  2. Genau hinsehen: Pflegende und Pflegebedürftige sollten rassistische Kommentare nicht übergehen. Wenn du einen diskriminierenden Vorfall beobachtest, schreite ein, indem du die Täter-Person zurechtweist oder dich direkt an die Leitung wendest. Leitendes Pflegepersonal sollte sich dementsprechend der Verantwortung stellen und situationsadäquat reagieren. 
  3. Anlaufstelle einrichten: Rassismus muss ernst genommen werden. Und zwar sowohl, wenn er unter Kollegen und Kolleginnen, als auch, wenn er in der Interaktion mit Patienten und Patientinnen auftritt. In vielen Fällen lohnt sich das Einrichten einer Beratungsstelle mit geschulten Ansprechpartnern, an die sich Betroffene bei Rassismus-Vorfällen wenden können.
  4. Null Toleranz für Rassismus: Besonders wichtig ist es, als Team eine klare Linie zu fahren. Kommt es zu rassistischen Äußerungen oder sogar Übergriffen, sollte der Täter-Person sehr deutlich gemacht werden, dass dieses Verhalten nicht toleriert wird. Ein Patient, der wiederholt durch diskriminierende Kommentare auffällt, kann beispielsweise vorzeitig entlassen werden, falls sein gesundheitlicher Zustand das erlaubt.
  5. Fortbildungen für Pflegende: In Weiterbildungen kann Pflegepersonal interkulturelle Kompetenzen erlernen und für Diskriminierungen sensibilisiert werden. Dazu gehört das Erlernen von Strategien, die sich für den Umgang mit Rassismus in der Pflege eignen. Ebenfalls wichtig ist in diesem Zusammenhang ein kritischer Blick auf bestehende Strukturen. Unter Umständen sind strukturelle Veränderungen nötig, damit Ausschlusspraktiken in Zukunft vermieden werden können.
  6. Betroffene bei der Bewältigung unterstützen: Pflegende und Pflegebedürftige, die wiederholten Diskriminierungen ausgesetzt waren, fühlen sich oft ohnmächtig. Dazu kommt ein vergessener Punkt: Gerade weibliche Pflegekräfte und Pflegebedürftige werden häufig nicht nur aufgrund ihrer Herkunft, sondern zusätzlich aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert – sind also doppeltes Opfer. Um Betroffene stark zu machen, ist gezieltes Empowerment nötig.
  7. Problem gemeinsam angehen: Die bereits genannten Aspekte haben es bereits gezeigt, Rassismus in der Pflege geht nicht nur die Betroffenen an. Alle Menschen in der Pflege sind gemeinsam für ein wertschätzendes Miteinander verantwortlich. Herabsetzungen aufgrund äußerlicher Merkmale oder der Herkunft sollten unter keinen Umständen unter den Tisch gekehrt werden.

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Fazit: Vielfalt statt Rassismus in der Pflege! 

Wenn du in deiner Berufslaufbahn bereits der einen oder anderen Form von Diskriminierung ausgesetzt warst, weißt du sicher, wie ungerecht und lähmend sich das anfühlt. In diesem Artikel haben wir den Fokus auf Rassismus in der Pflege gelegt, einer Art von Diskriminierung, die sich auf die Herkunft, Sprache, Abstammung oder Religion bezieht. Wir haben dir gezeigt, wie sich Rassismus äußert und wie du Diskriminierungen vorbeugen kannst. 

Fremdenhass und Vorurteile lassen sich nicht von heute auf morgen ausradieren. Trotzdem gibt es einige Wege, wie wir als Gesellschaft dafür sorgen können, dass Null Toleranz für Rassismus überall gilt – nicht nur in der Pflege.