Eine Forscherin und ein Forscher stehen in einem weißen, gefliesten Gang

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 25.10.2021

Evidence Based Nursing: Wie Wissenschaft die Pflege verbessert

… und warum EBN in der Praxis nicht immer funktioniert

Hand aufs Herz: Wann hast du zum letzten Mal eine wissenschaftliche Studie gelesen und deren Ergebnisse in deiner Pflegepraxis umgesetzt? Ein Großteil der Pflegekräfte hat keinen Überblick über die neueste Pflegeforschung und basiert seine täglichen Entscheidungen auf persönlichen Erfahrungen und dem Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Dabei wäre die Berücksichtigung von aktuellen wissenschaftlichen Belegen und Studien wichtig, um die Pflege nach und nach zu verbessern und eingefahrene Strukturen zu überdenken. Dieser Ansatz, der auch als Evidence Based Nursing (EBN) bezeichnet wird, findet immer mehr Beachtung in der Pflegepraxis. Was die Definition von Evidence Based Nursing ist und wie dieses sich in den Alltag integrieren lässt, erfährst du in diesem Artikel.

Evidence Based Nursing: Definition

Evidence Based Nursing, also evidenzbasierte Pflege, soll mehr Wissenschaft in den Pflegealltag bringen und so die Pflege auf Basis von geprüften Herangehensweisen und wissenschaftlichen Belegen verbessern. Dabei geht es darum, neue Erkenntnisse aus der Forschung in die Pflegepraxis zu integrieren und so deren Qualität zu verbessern. Evidence Based Nursing soll allerdings kein stures Implementieren von neuen Praktiken sein, sondern eine Kombination aus der Anwendung von neuem und auf Studienergebnissen basiertem Wissen, den eigenen Erfahrungen der Pflegekraft und den persönlichen Vorlieben und Wünschen des Patienten oder der Patientin. Nur wenn alles zusammenkommt, kann nach Meinung von Experten das beste Ergebnis und damit auch die beste Pflegequalität erzielt werden.

 

Anwendung in der Pflegepraxis: Mit EBN Pflege verbessern

Um Evidence Based Nursing in die Pflegepraxis zu integrieren, ist es besonders wichtig, dass Pflegekräfte sich bewusst machen, wie wichtig die Forschung in Hinblick auf die Verbesserung der Pflege ist. Oftmals sehen diese keinen Zusammenhang zwischen neuen Erkenntnissen und ihrem pflegerischen Arbeitsalltag und stehen dem EBN kritisch gegenüber. 

Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang die Führungskräfte, die einen stärkeren Fokus auf evidenzbasierte Pflege setzen können. Sie sollten Pflegekräfte dazu motivieren, ihre Herangehensweisen kritisch zu hinterfragen und sich laufend Wissen anzueignen, das zur Entscheidungsfindung genutzt werden kann. Dabei sollte nicht nur auf die Eigenmotivation der Belegschaft gesetzt werden, sondern neue Erkenntnisse auch aktiv kommuniziert und verständlich aufbereitet werden. Sinnvoll ist es zudem, Anwendungsfälle mit mehreren Pflegekräften auf Basis von wissenschaftlichen Studien zu diskutieren. 

Dennoch sollten beim Evidence Based Nursing auch die Erfahrungen der Pflegekräfte und die Wünsche der Patienten und Patientinnen nicht in den Hintergrund rücken. Diese sind genauso wichtig wie die Studienergebnisse. Das Ziel sollte es sein, eine gute Mischung zu erzielen und so Evidenz und Erfahrung zu kombinieren.

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Praktische Anwendung: Evidence Based Nursing in 6 Schritten

Du möchtest mit EBN die Pflege in deiner Einrichtung verbessern, weißt aber nicht, wie du dabei vorgehen sollst? Für Evidence Based Nursing gibt es eine klare Herangehensweise, mit welcher du konkrete Probleme lösen kannst. Folge dazu einfach diesen sechs Schritten:

1. Aufgabenstellung


Hierbei muss erst einmal evaluiert werden, um welches Problem es sich handelt, ob dieses tatsächlich relevant ist und ob die aktuelle Herangehensweise mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen verbessert werden könnte.

2. Fragestellung


Bei der Fragestellung geht es darum, das Problem genauer zu erfassen. Dazu kann das sogenannte PIKE-Schema verwendet werden. PIKE steht für:

  • Phänomen (der konkrete Fall): Ein Bewohner ist einem Sturzrisiko ausgesetzt

  • Intervention (ein möglicher Lösungsansatz): Der Bewohner soll Hüftprotektoren erhalten

  • Kontrollintervention (vergleichbare Maßnahmen für das Problem): Der Bewohner könnte stattdessen einen Rollator erhalten

  • Ergebnismaß (eine Art und Weise, das Ergebnis zu bewerten): Verringern sich die Stürze mit den Hüftprotektoren im Vergleich zum Rollator?


3. Recherche


Es folgt eine Literaturrecherche, mit deren Hilfe unterschiedliche Studien gefunden und ausgewertet werden sollen, welche für den vorliegenden Fall relevant sind. Damit kann überprüft werden, ob die gewählte Methode auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen bevorzugt werden soll oder ob mit vergleichbaren Maßnahmen in Studien bessere Ergebnisse erzielt wurden.

4. Beurteilung


Bei der Literaturrecherche sollte nie die kritische Bewertung der Studien vergessen werden. Wichtige Kriterien können zum Beispiel die Größe der untersuchten Gruppe sein, ob die Studie doppelblind durchgeführt wurde oder ob der Studienaufbau für das untersuchte Problem sinnvoll ist.

5. Implementierung


In Zusammenarbeit mit der Patientin oder dem Patienten kann nun die Maßnahme in der Praxis durchgeführt werden, welche aufgrund der Datenlage als zielführend eingeschätzt wird. 

6. Evaluation


Im Anschluss an die Umsetzung der Maßnahme sollte bewertet werden, ob diese Handlungen auch in dem konkreten Fall zu den gewünschten Ergebnissen geführt hat. Nicht immer ist das wissenschaftlich empfohlene Vorgehen die beste Lösung für den individuellen Patienten.
 

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Kritische Beurteilung: Nicht immer ist Evidence Based Nursing sinnvoll

In der Theorie kann EBN Pflege nur verbessern. Doch Evidence Based Nursing ist nicht immer so einfach in die tatsächliche Pflegepraxis zu integrieren. Das hat mehrere Gründe: Zum einen ist da die fehlende Zeit der Pflegekräfte aufgrund knapper (Personal)Ressourcen. Die Überprüfung von Pflegepraktiken würde die Pflegenden extra belasten und deshalb vielleicht negativ aufgenommen werden. Nicht immer gibt es außerdem ausreichend Möglichkeiten oder Gelegenheiten, auf Datenbanken oder Literatur zurückzugreifen.

Zudem ist die Forschung in der Pflege oft qualitativ statt quantitativ aufgestellt. Das bedeutet, dass in der Praxis eher kleinere Gruppen individuell betrachtet werden, anstatt große und repräsentative Studien durchzuführen. Ergebnisse sind deshalb möglicherweise nicht universell übertragbar. 

Auf der anderen Seite steht die Gefahr, dass im Rahmen von Evidence Based Nursing die Erfahrungen der Pflegekräfte und die Wünsche der Patientinnen und Patienten in den Hintergrund treten und wissenschaftliche Erkenntnisse und Studien die einzige Entscheidungsgrundlage werden. Dies ist nicht das Ziel des EBN Ansatzes und kann durch eine gute Führung vermieden werden.

Evidence Based Nursing spielt eine große Rolle, wenn es darum geht, die Pflege weiterzuentwickeln. Pflegekräfte sollten über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse informiert sein und diese auch in die Pflegepraxis integrieren. Nicht immer ist dies aber möglich oder sinnvoll: Deshalb ist Evidence Based Nursing nicht nur auf wissenschaftliche Erkenntnisse ausgelegt, sondern erfordert auch das kritische Hinterfragen der Pflegekräfte sowie Führungskräfte, welche Innovationen vorantreiben möchten und eine gute Balance zwischen erfahrungs- und evidenzbasierter Pflege halten können.

 


Häufige Fragen 🔍

Was versteht man unter dem Begriff Evidence Based Nursing?

Evidence Based Nursing soll die Pflege auf Basis von geprüften Herangehensweisen und wissenschaftlichen Belegen verbessern. Dabei geht es darum, neue Erkenntnisse aus der Forschung in die Pflegepraxis zu integrieren und so deren Qualität zu verbessern


In welchen Phasen verläuft EBN?

Die 6 Phasen von Evidence Based Nursing sind:

  1.  Aufgabenstellung

  2. Fragestellung

  3. Recherche

  4. Beurteilung

  5. Implementierung

  6. Evaluation


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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.